Zum Kern der Marke Krombacher gehört die Natürlichkeit. Wie bringt man das mit KI-generiertem Content auf Social Media in Einklang? Felix Jahnen, Chief Digital Officer von Krombacher, erklärt im Interview, welche Vorteile Künstliche Intelligenz für sein Unternehmen bietet und welche Risiken er beim KI-Einsatz in der Kundenkommunikation sieht.
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Herr Jahnen, was sind die größten Digitalisierungstrends bis 2030 im Bereich Food & Beverage?
Felix Jahnen
Grundsätzlich sehe ich aktuell eine gewisse Sättigung und Normalisierung bei der Digitalisierung. Die Zeiten großer Entwicklungssprünge sind vorbei. Es wird nicht mehr alles gefeiert, nur weil es digital ist. Anstatt blind irgendwelchen Hypes zu folgen, ist es wieder Zeit für Realness.
Bis 2030 wird sich Digital als Leitmedium endgültig durchsetzen. Allerdings stagniert die Dauer, die Leute auf digitalen Plattformen verbringen. Insofern wird es für Unternehmen schwieriger, Wege zu finden, überhaupt zu ihren Kund:innen durchzudringen und die großen Plattformen (Meta, Tiktok, Google, Amazon etc.) bleiben die großen Gatekeeper, die man immer öfter dafür bezahlen muss.
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Was sind weitere Trends?
Felix Jahnen
Auch wenn es für die breite Masse weiterhin eine Nische ist, gewinnt das Thema Gaming weiter an Bedeutung. Die Leute möchten sich künftig intensiver mit digitalen Inhalten beschäftigen und immer weniger einfach nur berieseln lassen.
Ein dritter Punkt ist E-Commerce. In der Coronazeit war hier eine exponentielle Entwicklung zu beobachten. Anschließend gab es eine kleine Delle im Zuge der Konsolidierung. Nun geht diese positive Entwicklung jedoch bis 2030 wieder weiter. Dabei wird insbesondere der Konsum rein digitaler Produkte zunehmen.
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Was ist der maßgebliche Treiber dieser Trends? Ist es die technologische Entwicklung oder sind es die veränderten Kundenbedürfnisse?
Felix Jahnen
Mein Eindruck ist, dass die Entwicklung mittlerweile weniger technologisch getrieben wird. Vielmehr ist ein Wandel bei den Kundeninteressen der Ausgangspunkt.
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Sind die genannten Trends auch für die Krombacher Gruppe von großer Bedeutung?
Felix Jahnen
Ja, definitiv. Bei uns stehen besonders der digitale Medienmix und das datengetriebene Marketing im Fokus. Es geht um die Frage, wie wir zu unseren Kund:innen auf den verschiedenen digitalen Plattformen durchdringen. Eine Herausforderung stellt dabei auch künstliche Intelligenz (KI) dar. Denn mit KI-generiertem Content gerät unter Umständen die Glaubwürdigkeit des digitalen Contents insgesamt in Schieflage. Es wird immer schwieriger zu erkennen, ob der Content von einer KI erzeugt wurde oder vom Menschen.
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Sind diese skizzierten Trends und Entwicklungen in erster Linie ein Thema für den B2C-Bereich oder ist es auch für B2B relevant?
Felix Jahnen
Da sehe ich keinen großen Unterschied. Beide Bereiche stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Einzig benötigen die Trends im B2B-Bereich immer etwas länger, bis sie wirklich ankommen. Die Relevanz ist allerdings für beide Bereiche gleich.
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Welche Technologie ist für Sie aktuell sehr spannend und verspricht viel Potenzial?
Felix Jahnen
Ein sehr großes Potenzial sehe ich beim Quantencomputing. Für mich persönlich wie für viele andere ist die Technologie jedoch noch nicht greifbar. Vielfach handelt sich aktuell um Forschungsprojekte und der Weg zur kommerziellen Anwendung ist noch weit. Aber ich erwarte, dass am Ende Produkte und Anwendungen entstehen, die die Industrie vorantreiben.
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Und welche Technologien werden zu hoch gehandelt oder wo wurden Ihre Erwartungen nicht erfüllt?
Felix Jahnen
Dazu gehören für mich auf jeden Fall das Metaverse und Spatial Computing. Das war wirklich ein richtiger Hype, der mich persönlich echt enttäuscht hat. Beim Metaverse sieht man jedoch auch – Stichwort Second Life – dass viele Sachen wieder kommen. Manche Technologien benötigen auch drei Anläufe. Trotz mancher beeindruckender „Einzel-Feuerwerke“ gibt es aber aktuell noch keine überzeugenden Anwendungen, die auch von Kund:innen als relevant angesehen werden.
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Könnte sich das Metaverse insofern also irgendwann doch durchsetzen?
Felix Jahnen
Das ist definitiv möglich. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Technologietrends fragmentierter und kurzweiliger werden. Bei den Hype-Zyklen werden die Amplituden kleiner.
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Eine Technologie, die mit großem Potenzial verbunden wird, ist KI. Welche Chancen verbinden Sie insbesondere mit KI für die Unternehmen?
Felix Jahnen
An erster Stelle steht bei KI für mich das Thema Effizienzsteigerung. In einem gewissen Umfang ist auch die Chance einer höheren Produktivität gegeben, sodass ein Unternehmen mit der gleichen Anzahl an Beschäftigten mehr schafft. Hingegen glaube ich nicht, dass mit dem Einsatz von KI Unternehmen in einem größeren Umgang ihre Belegschaft verkleinern können.
Gerade im Marketing- und Kommunikationsbereich lässt sich mit KI ebenfalls der Content sowie der Mediaeinsatz optimieren. Falls allerdings alle Unternehmen darauf setzen, geht der Vorteil auch wieder verloren. Und für produzierende Unternehmen bietet KI beispielsweise auch die Chance von Predictive Maintenance, sodass Maschinen melden, dass eine Wartung notwendig ist, um den Ausfall zu verhindern. Dies stellt eine störungsfreie Wertschöpfungskette sicher.
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Welche Use Cases für KI sind aktuell bei Ihnen im Unternehmen besonders relevant?
Felix Jahnen
Im Bereich der Contenterstellung haben wir bereits intelligente Anwendungen getestet und mit generativer KI Social-Media-Posts erzeugt. Das funktionierte auch sehr gut und die Posts hatten eine gute Performance. Bei Videocontent, der zwar bei Social Media immer wichtiger wird, sind wir ehrlicherweise noch etwas zögerlich aufgrund der Authentizität. Denn zum Kern unserer wichtigsten Marke gehört die Natürlichkeit.
Ich beobachte aktuell, dass Plattformen wie YouTube aktuell von KI-Content förmlich geflutet werden, der häufig eine schlechte Qualität aufweist. Damit erreicht man dann auch die Leute nicht. Darüber hinaus gibt es noch Pilotprojekte in der Produktion – beispielsweise im Bereich Predictive Maintenance –, die sich noch in der Frühphase befinden.
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Woran haben Sie festgemacht, dass der KI-Einsatz bei der Contenterstellung sehr gut funktioniert hat?
Felix Jahnen
Mit einer geringeren Produktionszeit und weniger Kosten hatten wir am Ende Social-Media-Posts mit gleicher Qualität und Performance im Hinblick auf Reichweite und Engagement. Allerdings bedeutet geringere Produktionszeit nicht, dass der Inhalt auf Knopfdruck in vier Sekunden perfekt ist. Das ist natürlich ein Trugschluss.
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Welche Erfahrungen konnten Sie bei den bisherigen KI-Anwendungen machen? Auf welche Erfolgsfaktoren kommt es an?
Felix Jahnen
Bei den KI-Erfolgsfaktoren steht für mich an erster Stelle die Festlegung von Verantwortlichkeit und Zielsetzung – also Ownership. Wir führen KI ja nicht ein, um KI einzuführen, sondern um damit etwas zu erreichen – wie beispielsweise Effizienzsteigerungen. Dafür ist es vor der Implementierung erforderlich, zu klären, in welchem Bereich mit welcher KI-Anwendung diese Ziele erreicht werden können. Was sind die Kriterien für die Entscheidung? Und gerade in großen Unternehmen geht es zusätzlich um die Frage, wer sich darum kümmert.
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Wie wird dieser Erfolgsfaktor bei der Krombacher Gruppe umgesetzt?
Felix Jahnen
Im Unternehmen gibt es ein Steering Committee, wo über mögliche Einsatzbereiche für KI-Anwendungen entschieden wird. Wir überlegen, welche Tools in welchen Abteilungen wirtschaftlich eingesetzt werden können. Dabei spielen Bedarfsmeldungen aus den Bereichen sowie Feedback aus Pilotprojekten eine Rolle.
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Vielen Dank für das Interview, Herr Jahnen!
Felix Jahnen ist Chief Digital Officer bei Krombacher. Die Brauerei mit Sitz in Kreuztal (NRW) beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeitende.
Im Interview gibt Felix Jahnen Einblicke in seine Erfahrungen mit KI-Projekten und Erwartungen für die wichtigsten Digitalisierungstrends der nächsten Jahre.
Bei KI-Projekten steht die Festlegung von Verantwortlichkeit und Zielsetzung an erster Stelle der Erfolgsfaktoren – also Ownership. Wir führen KI ja nicht ein, um KI einzuführen, sondern um damit etwas zu erreichen.
Felix Jahnen, Chief Digital Officer, Krombacher Gruppe
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