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Produktmanagement und Datenaustausch in der Automotive

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EXPERT_TALK mit Herrn Nils Prochnow, MEYLE

Heute dürfen wir Herrn Nils Prochnow im EXPERT_TALK begrüßen. Herr Prochnow ist Leiter Produktdatenmanagement bei der MEYLE AG in Hamburg und steht uns zum Interview zur Verfügung.

Porträt von Nils Prochnow, MEYLE AG
Nils Prochnow ist seit mehr als 20 Jahren im Datenmanagement tätig. Zunächst mehrere Jahre im Umfeld des Customer-Relationship-Managements (CRM). Seit 2007 ist Herr Prochnow bei der MEYLE AG in Hamburg beschäftigt. Zur Zeit verantwortet er das globale Produktdatenmanagement im Umfeld des Independent Automotive Aftermarket bei MEYLE.

Kahler: Herr Prochnow, Sie sind Leiter Produktmanagement bei der MEYLE AG und somit in der Automotive-Branche tätig. Welche Rolle spielt bei Ihnen das Thema Produktdatenmanagement?

Prochnow: Die MEYLE AG vertreibt weltweit Ersatzteile für den freien Autoteilemarkt. Wir beliefern Großhändler in ca. 120 Ländern mit Ersatzteilen für PKW und LKW. Unser Sortiment umfasst z.Zt. ca. 24.000 Artikel und wächst beständig.

Aus Sicht der Produktdaten, weist unser Markt eine Besonderheit auf. Wir liefern nicht nur die Ersatzteile, sondern grundsätzlich auch Daten. Für jeden Artikel müssen wir die artikelbezogenen Produktdaten mitliefern, die für die präzise Zuordnung und den Verbau des Artikels in den Fahrzeugen benötigt werden. Die Artikel und Daten gehören untrennbar zusammen.

Zum besseren Verständnis folgendes Beispiel: Sie wollen z.B. bei einem freien Ersatzteilhändler einen Bremsbelag für ihr Fahrzeug kaufen. Hierzu geben sie dem Mitarbeiter des Händlers am Tresen den Fahrzeugschein. Mit diesem Schein und den von uns mitgelieferten Produktdaten, kann der Mitarbeiter dann in seiner Software den passenden MEYLE–Bremsbelag heraussuchen.

Würden wir unsere Produktdaten nicht oder nur unvollständig mitliefern, würde unser Artikel nicht gefunden und somit nicht verkauft werden können.

Der Datenaustausch der Produktdaten zwischen uns und dem Großhandel erfolgt fast vollständig über das standardisierte Datenaustauschformat TecDoc, welches in Europa führend ist. Es gibt weltweit noch weitere Austauschformate, mit denen wir uns ebenfalls intensiv beschäftigen.

Damit erklärt es sich also von selbst, dass das Thema Produktdatenmanagement bei der MEYLE AG eine wesentliche und zentrale Rolle spielt.

Kahler: Sie haben bereits „TecDoc“ angesprochen, was ist aus Ihrer Sicht so besonders an „TecDoc“? Und weiterhin stelle ich mir die Verwaltung von „TecDoc“-Daten schwierig vor, gibt es hier spezielle Software Lösungen?

Prochnow: In der Tat gibt es Besonderheiten.

Zum einen ist das Format von TecDoc in Europa führend. Als Teilelieferant bzw. Großhändler kann man auf die Daten aus diesem Format nicht verzichten. Man muss in der Lage sein, das Format zu verarbeiten. Selbst auf eBay & teilweise Amazon stoßen Sie heute, wenn sie nach einem Autoersatzteil suchen, fast überall auf Daten und Strukturen aus dem TecDoc–Format.

Zum anderen ist der Prozess des Datenaustauschs zwischen den Prozessbeteiligten genau definiert. Das betrifft sowohl die Bereitstellung der Fahrzeugstamm- bzw. Referenzdaten und des Regelwerks, welche von der Firma TecAlliance (Besitzer des Formats) zur Verfügung gestellt werden, als auch die Lieferung der Daten, durch die sog. „Datenlieferanten“ (z.B. die Firma in der ich beschäftigt bin) und die Verwendung durch die „Datennutzer“ (z. B. den Großhandel).  Alle Beteiligten unterliegen einem strikten Zeitplan und einem Regelwerk, aus dem hervorgeht, wer wann und was zu erledigen bzw. zu liefern hat. Das erfordert von allen Beteiligten ein gutes Prozess- und Datenmanagement.

Zusätzlich ist das Format selbst sehr kompliziert. Wie schon von Herrn Jurkowski in einem der vorherigen Interviews erwähnt, ist das Pflegen und Verwalten der Datenbeziehungen extrem aufwendig.

Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage: Der Markt an Softwarelösungen für die Datenlieferanten ist sehr überschaubar. Ich kenne maximal fünf Hersteller, die eine Lösung für unsere Anforderungen anbieten könnten. Wir und einige unserer Marktbegleiter setzen deshalb auf selbstentwickelte Softwarelösungen. Im klassischen PIM-Markt ist mir keine Lösung bekannt, die das TecDoc-Format vollumfänglich abbilden kann.

Kahler: Würde ein PIM-System aber nicht als idealer Datenlieferant dienlich sein? Oder ist die Datenpflege so speziell, dass hier herkömmliche PIM-Systeme dies nicht abbilden können?

Prochnow: Wir haben bei MEYLE umfangreiche Erfahrungen mit einem klassischen PIM System für die Datenpflege im TecDoc-Umfeld gesammelt. Bereits 2010 haben wir angefangen, mit einem PIM-System zu arbeiten. Wir mussten in den folgenden Jahren jedoch erkennen, dass diese Systeme nicht flexibel genug auf die häufigen Strukturveränderungen reagieren können. Der Aufwand für die Anpassungen war jedes Mal enorm groß oder sie ließen sich teilweise gar nicht umsetzen. Hierbei handelte es sich sowohl Veränderungsmaßnahmen im Bereich der Im-/Exporte als auch um die Funktionalitäten in der Datenpflege.

Eine angemessene Flexibilität bieten nach diesen langjährigen Erfahrungen vor allem Softwarelösungen, die speziell für das TecDoc-Umfeld entwickelt wurden.

PIM Systeme bieten sich in unserem Umfeld als nachgelagerte Lösungen für das Bespielen der klassischen Ausleitungskanäle an. Die Abbildung der TecDoc – Daten lässt sich in der Regel in den Systemen realisieren. Diese können mit Marketing-Content angereichert und z.B. in eine B2B– oder B2C-Plattform ausgeleitet werden. Das Zusammenspiel zweier Systeme ist in unserem Umfeld eine gute Lösung, um den unterschiedlichen Aufgaben in der heutigen Zeit gerecht werden zu können.

Kahler: Klassifikationsstandards wie ETIM oder eClass setzen perspektivisch auf dynamische Formate wie z.B. ecl@ss Advanced. Ist eine ähnliche Entwicklung bei TecDoc wünschenswert oder geplant?

Prochnow: Ich kenne diese Standards nicht im Detail, habe jedoch gehört, dass diese im Vergleich zu TecDoc sehr einfach aufgebaut sind. Dementsprechend kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten.

Kahler: Vielen Dank für das Interview.

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