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So hilft KI, die besten Talente zu rekrutieren

Künstliche Intelligenz und Machine-Learning-Algorithmen sind bei Jobbörsen wie StepStone und Profi-Netzwerken wie LinkedIn bereits im Einsatz. HR-Abteilungen, insbesondere im deutschen Mittelstand, zögern noch. Dabei könnte KI, richtig eingesetzt, den Recruiting-Prozess vereinfachen, beschleunigen und qualitativ wesentlich verbessern.

7. Oktober 2021

Helena Reimer-Burgrova, Marcela Falahati

7 Min. Lesezeit

Quelle: freepik/vectorpouch (überarbeitet)

Jedes Unternehmen ist bestrebt, die vielversprechendsten Kandidat*innen zu rekrutieren und ausgeschriebene Positionen mit dem „optimalen Match“ zu besetzen, der das Unternehmen bestmöglich voranbringt. Aber Recruiting ist aufwändig, zeit- und kostenintensiv. Hinzu kommt ein Mangel an hochqualifizierten Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen wird. Lag die durchschnittliche Vakanzzeit im Mai 2017 noch bei 95,7 Tagen, benötigten HR-Manager*innen im Mai 2019 bereits 130 Tage, um eine Position neu zu besetzen – Tendenz weiter steigend. „Arbeitgeber sind bereit, bis zu 25 Prozent eines Jahresgehaltes zu zahlen, um überhaupt eine Shortlist von Kandidat*innen zu bekommen, bei denen sich das Jobinterview lohnt“, berichtet Ian Siegel, CEO des US-amerikanischen Stellenportals ZipRecruiter.

Künstliche Intelligenz hilft im öfters dabei, die besten Talente und die rekrutierende Unternehmen so zusammenzubringen, dass beide Seiten den größtmöglichen Vorteil daraus ziehen. Die Bandbreite der Leistungen reicht dabei vom CV Parsing und optimierten Stellenanzeigen, die Fachkräfte bestimmter Branchen ganz gezielt ansprechen, bis hin zu Chatbots und der Video-Analyse von Wortwahl, Mimik und Gestik.

Der Kandidat*innen-Funnel: Künstliche Intelligenz und Machine Learning können helfen, die Qualität  und Effizienz im Recruiting-Prozess deutlich zu steigern
Der Kandidat*innen-Funnel: Künstliche Intelligenz und Machine Learning können helfen, die Qualität und Effizienz im Recruiting-Prozess deutlich zu steigern.

StepStone setzt auf Conversational-AI-Plattform

Große Jobportale wie LinkedIn und ZipRecruiter setzen Pattern-Matching-Technologien bereits ein. ZipRecruiter zum Beispiel schlägt Unternehmen Kandidat*innen vor, deren Profile denjenigen Bewerber*innen ähneln, mit denen das Unternehmen bereits erfolgreiche Jobinterviews durchgeführt hat. Das Online-Jobportal StepStone hat im Mai 2021 die Conversational-AI-Technologiefirma Mya übernommen und will damit dialogbasiert sein „Autonomous Matching“ verbessern. Die Technologie zieht Schlüsse aus dem Gespräch mit Kandidat*innen, liest auch zwischen den Zeilen und schlägt dann passende Jobs per SMS, WhatsApp oder im Online-Chat vor. Konzerne wie Pepsi und Ikea setzen den Conversational-AI-Bot Vera zur Bewerber*innenauswahl ein. Vera sucht nach passenden Kandidat*innen in Jobportalen und führt selbstständig Video-Chat- oder Telefon-Interviews, bevor dann an reale HR-Mitarbeiter*innen übergeben wird.

HR-Mitarbeiter*innen in deutschen Unternehmen ist längst bewusst, dass sie durch den Einsatz von KI-Technologie die Qualität des Recruiting erhöhen und gleichzeitig Zeit und Kostenaufwendungen spürbar reduzieren können. 54 Prozent der deutschen Unternehmen, die bislang noch keine KI im Einsatz haben, würden Künstliche Intelligenz bei der Vorauswahl der Bewerber*innen verwenden. Aber lediglich zwei Prozent machen das auch tatsächlich.

KI nimmt Fahrt auf, mit angezogener Handbremse

Generell ist die Bereitschaft, KI einzusetzen, in größeren Unternehmen ab 2.000 Mitarbeitenden ausgeprägter als in den KMU. 92 Prozent der Großen bewerten KI als die wichtigste Zukunftstechnologie, die überzeugende Vorteile bietet. Dazu gehören schnellere und präzisere Analysen, beschleunigte Prozesse und ein reduzierter, nachhaltigerer Ressourcenverbrauch (Quelle: Bitkom-Präsident Achim Berg, Künstliche Intelligenz. Wo steht die deutsche Wirtschaft? April 2021).

Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland hinken jedoch, was die Digitalisierungsreife angeht, noch hinterher. Wichtige HR-Daten wie die „Time-to-Hire“ und „Time-to-Fill“ werden nicht erfasst, aussagekräftige, präzise und verbindliche Stellenprofile fehlen. Oft wird noch mit Papier und Bleistift oder mit Excel-Tabellen gearbeitet. In Zeiten von Fachkräftemangel und allgemein niedriger Arbeitslosigkeit könnte sich eine solche zögerliche Haltung schnell rächen. Arbeitsmarktexpert*innen sagen für die nächsten Jahre einen Arbeitnehmermarkt voraus. Der „War for Talents“ wird sich weiter verschärfen.

Die drei Bewerber*innentypen: Männer übertreiben, Frauen bleiben sachlich

Je nach Kandidat*innen-Typus müssen sich die HR-Mitarbeiter*innen in den Unternehmen unterschiedlichen Herausforderungen stellen. Passiv suchende Kandidat*innen, die in einer festen Anstellung tätig, aber einem Wechsel nicht abgeneigt sind, lassen sich über Matching-Algorithmen auf Job-Netzwerken wie LinkedIn und Xing relativ leicht identifizieren. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Männliche Bewerber neigten, was ihre Qualifikationen angeht, eher zu Übertreibungen als Frauen. Frauen führten Qualifikationen in der Regel nur dann in ihrem Lebenslauf auf, wenn sie auch tatsächlich exakt ihren Kenntnissen entsprächen, hat John Jersin, former Vice President of Product Management bei LinkedIn, beobachtet. Es ist also möglich, dass automatisierte Matching-Algorithmen Frauen bei der Bewerber*innen-Vorauswahl benachteiligen.

Aktiv suchende Kandidat*innen, der zweite Typus im Kandidat*innen-Funnel, gehen eigeninitiativ auf rekrutierende Unternehmen zu. Diesen Bewerber*innen-Typus schrecken standardisierte Stellenbeschreibungen und langwierige Bewerbungsprozesse ab. Dem Unternehmen gehen dadurch möglicherweise hochqualifizierte Kandidat*innen verloren. KI-Lösungen, die Stellenbeschreibungen auf bestimmte Berufsgruppen optimieren, Chatbots zur schnellen Beantwortung von Fragen ohne lange Wartezeiten sowie ein automatisiertes CV Parsing können Abhilfe schaffen. Zudem werden durch den Einsatz dieser Technologien HR-Mitarbeiter*innen entlastet und haben die Zeit, sich auf qualitativ hochwertige HR-Prozesse zu konzentrieren.

Steht der Bewerber*innen-Pool, dann stellt sich die Frage: Wie finden HR-Mitarbeiter*innen den optimalen Match für die ausgeschriebene Position? Pre-Screening Tools wie Chatbots und Matching Engines inklusive aussagekräftiger Rankings können gleichzeitig für Entlastung und für erfolgreichere Entscheidungen sorgen. Chatbots sind auch in der Lage, Routinetätigkeiten zu übernehmen, Interviews zu terminieren oder optimale Fragenkataloge zu entwerfen. Video-Interviews mit nachfolgender Stimm- und Gesichtsausdrucksanalyse, die Bewerber*innen aufzeichnen und dann einreichen, sind in den USA bereits im Einsatz, stoßen aber in Deutschland wegen datenschutzrechtlicher und ethischer Bedenken noch auf Vorbehalte.

SAP SuccessFactors – KI unter der Haube

SAP SuccessFactors ist eine der am weitesten verbreiteten Recruiting- und Personalmanagement-Plattformen weltweit. Mehr als 6.750 Unternehmen und mehr als 100 Millionen Anwender*innen vertrauen täglich auf SAP SuccessFactors, und niederschwellige KI werkelt unter der Haube. HR-Abteilungen finden im SAP Store mehr als 30 kostenpflichtige Add-ons für SuccessFactors, die den Recruiting-Prozess weiter optimieren, die Candidate Journey verbessern und die Erfolgsaussichten für optimale Stellenbesetzungen steigern- darunter beispielsweise „Olivia, Your AI Recruiting Assistent“, „Brilliant Hire by SAP – Smart Job Matching“ oder „My Ally – Talent Lifecycle Management Solution“.

KI-Anwendung Grafik
Künstliche Intelligenz kann sehr viel. Selektierenden Chatbots, Matching Funktionen inklusive Ranking und Video-Interviews plus Stimm- und Mimik-Analyse stehen HR-Mitarbeiter*innen und Kandidat*innen in Deutschland jedoch bislang eher kritisch gegenüber.

Das Angebot im SAP Store richtet sich jedoch in erster Linie an eine international operierende Kundschaft. Nicht nur des Englischen, sondern auch des Deutschen kundige Add-ons mit den entsprechenden Analyse-Algorithmen, wie sie in Deutschland ansässige Firmen zumindest auch benötigen, fehlen bislang weitgehend. Hinzu kommen ethische Bedenken und Vorbehalte gegenüber einem Recruiting mit KI. Immer dann, wenn KI-Algorithmen selbstständig teils weitreichende Entscheidungen treffen, treten HR-Verantwortliche auf die Bremse und qualifizierte Kandidat*innen rümpfen die Nase. Gegen eine optimierte Suche, CV Parsing, Chatbots für FAQs und durch KI optimierte Stellenbeschreibungen hat die deutsche Klientel in der Regel nichts einzuwenden. Auch einer Interview-Terminierung per Chatbot steht die Mehrheit der Deutschen positiv gegenüber. Kommt aber die Sprache auf Matching-Algorithmen inklusive qualifiziertem Ranking oder Video-Interviews mit Stimm- und Gesichtsausdrucksanalysen, winken die meisten genervt ab. So viel Autonomie will die Mehrheit der HR-Manager*innen und auch der Kandidat*innen einer KI dann doch nicht zugestehen.

Gelungene Kooperation zwischen HR und KI

Dabei sind die Vorbehalte zumindest zum Teil unbegründet. Denn ein KI-basierter Recruiting Bot mit ausgewogenem Datenmaterial trainiert, kennt keine Vorurteile und fällt auch keine Personalentscheidungen aus dem Bauch heraus. Gut möglich also, dass KI langfristig die geeigneteren Kandidat*innen aus dem Bewerber*innen-Pool herauspickt. Den HR-Manager*innen aus Fleisch und Blut bliebe es dann vorbehalten, final zu entscheiden und beispielsweise zu beurteilen, ob auch die Chemie stimmt und ob die neue Mitarbeiterin oder der neue Mitarbeiter sich perfekt ins Team integriert.

Verfasst von

Porträt von Helena Reimer-Burgrova, HXM Strategy & Product Advisor bei valantic people

Helena Reimer-Burgrova

HXM Strategy & Product Advisor, valantic people

Porträt von Marcela Falahati, Head of SAP SuccessFactors bei valantic people

Marcela Falahati

Head of SAP SuccessFactors, valantic people