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CX & Customer Journey

Customer Experience – wie aus Kundinnen und Kunden Fans werden

Erinnern Sie sich an Ihren letzten Einkauf, bei dem Sie begeistert wurden oder Ihre Erwartungen vielleicht sogar übertroffen wurden? Genau diese Momente spielen oft die entscheidende Rolle, um aus Kundinnen und Kunden Fans zu machen. Nicht nur für Marketeers ist die Kundenzufriedenheit daher eine der wichtigsten KPIs, auch Abteilungen wie Supply Chain, die Finanzbuchhaltung oder Human Resources sollten die Zufriedenheit ihrer internen und externen Kundinnen und Kunden und damit das große Ganze stets im Blick haben.

14. Juni 2022

Tobias Ganowski

5 Min. Lesezeit

Ein Mann schaut auf sein iPad | Customer Experience – wie aus Kundinnen und Kunden Fans werden Quelle: unsplash/Tyler Franta

Bereits 1978 zeigte Noriaki Kano, Professor der Universität Tokio, mit dem Kano-Modell den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und den Qualitätseigenschaften eines Produktes beziehungsweise einer Dienstleistung auf. Die Leistungsqualität hat demnach einen entscheidenden Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Die Summe aller Erfahrungen auf dem Weg bis zum Kaufabschluss, die Customer Journey, ist somit verantwortlich für die Kundenzufriedenheit – und somit einer der wichtigsten Stellhebel für Unternehmen.

Kano-Modell: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Leistungsqualität

Kano-Modell: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Leistungsqualität
Quelle: microTOOL

Diese Customer Journey in hybriden Zeiten, in denen Online- wie auch Offline-Kanäle gleichzeitig bedient werden müssen, zu steuern fordert Unternehmen aber heraus: Drei Viertel (75 %) der Unternehmen sehen laut der Lünendonk®-Studie 2021 „Der Markt für Digital Experience Services in Deutschland“ die zunehmende Fragmentierung der Kunden-Touchpoints und die damit verbundene Entwicklung von Omni-Channel-Strategien als herausfordernd an. Hierbei handelt es sich längst nicht mehr rein um B2C-Unternehmen: Auch 69 Prozent der B2B-Unternehmen fordert die Online-offline-Integration heraus. Infolgedessen fürchten sich 73 Prozent aller Befragten vor einer sinkenden Kundenloyalität und Kundenbindung. Schließlich ist das nächstbeste Angebot nur einen Klick entfernt.

Es überrascht daher nicht, dass Investitionen in die eigene Customer Experience steigen sollen. In welchem Umfang und in welche konkreten Themen, hängt stark vom aktuellen Reifegrad, der Strategie und den Zielsetzungen ab. Ergebnisse aus der bereits erwähnten Lünendonk®-Studie zeigen, dass 64 Prozent der Unternehmen infolge der Coronalage ihre bisherigen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und Optionen für eine stärkere Digitalisierung der Geschäftsmodelle evaluieren – und in diesem Zuge ein stärkerer Fokus auf die Customer Experience gelegt wird. Schließlich ist der Themenkomplex Customer Experience keine rein technische Domäne, wird aber immer stärker durch Technik geprägt. Die systematische Gewinnung und Analyse von Daten an allen Kunden-Touchpoints für einen 360-Grad-Überblick der Kundenaktivitäten befähigt Unternehmen, ihre Kundenstrategie zu optimieren. So lässt sich das Kundenfeedback etwa in den Produktentwicklungszyklus integrieren, um schnell auf veränderte Kunden- und Marktanforderungen reagieren zu können. Es geht dabei nicht um die Schaffung eines „gläsernen Kunden“, der ferngesteuert werden kann, sondern um die Möglichkeit, sich als Unternehmen sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen zu können. Veränderungsbereitschaft und Agilität sind nicht umsonst seit Jahren Hype-Themen und führen zu großen Change-Projekten.

Es werden Fortschritte bei der Customer Experience erzielt, jedoch noch mit Ausbaupotenzial.

Wie sehen Sie Ihr Unternehmen bei den folgenden technologischen Themen aufgestellt?

Lünendonk Grafik: Wie sehen Sie Ihr Unternehmen bei den folgenden technologischen Themen aufgestellt

So sehen sich 22 Prozent der durch Lünendonk befragten Unternehmen bei der Verknüpfung der Kundendaten bereits weit fortgeschritten. 19 Prozent bescheinigen sich einen hohen Reifegrad bei der Steuerung dieser aggregierten Daten über eine Customer-Experience-Plattform. Im Umkehrschluss haben viele Unternehmen aber auch noch Luft nach oben, ihre Customer Experience zu verbessern und die Kunden stärker in den Mittelpunkt ihres Handels zu stellen.

Technologien und Technologieunternehmen geben den Takt vor

Der Reifegrad der Customer Experience hängt stets von der Bezugsgröße ab: Vergleicht man sich mit „klassischen“ Wettbewerbern oder aber mit Innovatoren und Disruptoren, die vielleicht sogar aus einem anderem Marktsegment kommen und völlig neue Ansätze der Marktbearbeitung verfolgen? Letztere werden bereits heute als äußerst relevante Bedrohung angesehen. Diese Unternehmen verstehen es, durch ihre disruptiven Geschäftsmodelle den veränderten Kundenerwartungen und ­anforderungen gerecht zu werden. Viele der Innovatoren und Disruptoren sind aber auch junge Unternehmen, die keine historisch gewachsenen Strukturen und IT-Legacy mitschleppen, sondern ihr Business- und Operating-Modell komplett auf der Basis neuer Technologien aufbauen können. Dennoch gilt es für etablierte Unternehmen, sich dieser Marktentwicklungen anzunehmen. Immerhin sind es die Kunden und Kundinnen, die entscheiden, von welchem Anbieter sie ihre Produkte und Services beziehen, und eine als hochwertig wahrgenommene Digital Experience wird immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor und Differentiator.

Innovative Wettbewerber werden als Bedrohung wahrgenommen.

Sehen Sie Ihr Unternehmen durch Wettbewerber bedroht, …?

Lünendonk Grafik: Sehen Sie Ihr Unternehmen durch Wettbewerber bedroht?

Wird man als Kundin oder Kunde erstmals von einem Wettbewerber durch eine komplett digitale und durchgängige Customer Journey begeistert, so erwartet man auch von anderen Marktteilnehmern ein ähnliches Angebot. Denn was zunächst als außergewöhnlich wahrgenommen wird, wird im Laufe der Zeit als Standard erachtet – ganz im Sinne des Kano-Modells. Es gilt somit, ständig am Ball zu bleiben oder besser noch die Vorlage zu geben. Gerade die Big Techs um Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft oder PayPal machen es vor. Aber auch rein digitale Unternehmen, die es verstanden haben, die Kundinnen und Kunden von Grund auf in den Fokus ihrer Strategie, Produkte und Prozesse zu setzen, werden als nicht unrelevante Bedrohung gesehen.

Fachbereiche und IT müssen zusammenwachsen

Das viele Unternehmen noch nicht konsequent kundenzentrisch handeln, zeigt sich an den Ergebnissen einer weiteren, aktuellen Lünendonk®-Studie aus dem Frühjahr 2022 unter Finanzdienstleistern: Nur 39 Prozent der Befragten erheben an allen relevanten Kunden-Touchpoints Kundenfeedback, etwa am POS (Point of Sale). Hier zeigt sich eine weitere Herausforderung: Customer Experience wird oft noch nicht bereichsübergreifend gedacht, sondern immer noch zu häufig in Silos. So bleiben entsprechende Effekte aus und Investitionen in neue Technologien und Innovationen amortisieren sich nur langsam.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist jener der Incentivierung einer integrierten Marktbearbeitung: Eine integrierte Marktbearbeitung unter Zusammenarbeit verschiedener Organisationseinheiten, um eine einheitliche Kundensicht sicherzustellen, verfolgen nahezu alle befragten Finanzdienstleister, jedoch haben nur 13 Prozent eine derartige integrierte Strategie bereits vollständig umgesetzt. Eine integrierte Herangehensweise fördert die Verfolgung übergeordneter Unternehmensziele, etwa der Steigerung des Net Promoter Score (NPS) oder der schnelleren Bearbeitung von Serviceanfragen in höherer Qualität. Ein Großteil der befragten Finanzunternehmen gibt – nicht ganz überraschend – an, zukünftig eine stärkere integrierte Kundenstrategie zu verfolgen. Eine stärkere Verzahnung von Fachbereichen und IT in einem agilen Modus und in Form von crossfunktionalen Teams ist daher nicht nur als Folge der Digitalisierung, sondern auch zur stärkeren Kundenzentrierung notwendig. Dass Handlungsbedarf besteht, haben viele Unternehmen erkannt: 76 Prozent erwarten, dass sie ihre klassischen Organisationssilos auflösen und die Abteilungsvernetzung forcieren werden – für das Customer Experience Management eine gute Nachricht.

Verfasst von

Porträt von Tobias Ganowski, IT-Analyst und Junior Consultant beim Marktforschungs- und Analystenhaus Lünendonk & Hossenfelder

Tobias Ganowski

IT-Analyst und Junior Consultant bei Lünendonk & Hossenfelder

Tobias Ganowski ist IT-Analyst und Junior Consultant beim Marktforschungs- und Analystenhaus Lünendonk & Hossenfelder. Er untersucht die Märkte für IT-Beratung, IT-Services, IT-Sourcing-Beratung, Customer Experience Services und Engineering Services. Thematisch beschäftigt er sich unter anderem mit den Themen Customer Experience Management, Cloud Sourcing, Künstliche Intelligenz, IIoT, Softwareentwicklung, Agilität und digitale Transformation.