Moderne Waffen sind bei militärischen Auseinandersetzungen schon seit Jahren im Einsatz. Sie sind unsichtbar, aber ihre Wirkung ist für alle Beteiligten deutlich erkennbar. „Es gibt immer mehr Sensoren, die das gesamte Schlachtfeld überwachen, nicht nur am Boden, sondern auch auf dem Wasser, unter Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace“, sagt Patrick Bolder, Analyst beim The Hague Center for Strategic Studies.
„Diese Informationen führen zu einem bestimmten Bild, dem Lagebewusstsein. Aber die Sensoren liefern so viele Informationen, dass es fast unmöglich ist, sie als Mensch zu erfassen. Man braucht dafür also eine automatische Verarbeitung“, stellt der Experte in einem Beitrag des Deutschlandfunks fest. Dazu wird Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt.
KI liefert für die Kommandozentralen und die Soldaten im Kampf Informationen, die für Menschen nicht so einfach zugänglich sind. Bei Daten von Militär-Satelliten, submarinen Sensoren oder Beobachtungskameras an Land, die ungewöhnliche Bewegungen melden, kann die KI aus bestimmten Mustern mit hoher Präzision feindliche Vorbereitungen erkennen und vor Angriffen warnen – oder die beobachteten Manöver mit ebenso großer Sicherheit als harmlose Aktionen entlarven.
Defence-Markt im Höhenflug
Der Markt für militärische KI-Anwendungen, darüber sind sich die Experten einig, wird in den kommenden fünf Jahren sehr schnell wachsen. Allein der Markt für Militärroboter soll nach einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Fortune Business Insights von rund 14 Milliarden US-Dollar in 2019 bis auf 25 Milliarden US-Dollar in 2027 wachsen. Für das Umsatzplus mitverantwortlich sind mit KI gelenkte Roboter.
Noch weit größer ist der globale Markt für Militärdrohnen. Schon im Jahr 2023 betrug das Umsatzvolumen 13,64 Milliarden US-Dollar; es soll bis 2031 auf 39,72 Milliarden US-Dollar ansteigen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im Prognosezeitraum 2024 bis 2031 beträgt 14,3 Prozent, gibt der Marktforscher Data Bridge an.
Als Drohnen werden im militärischen Bereich unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) bezeichnet. Eingesetzt werden die UAVs zur Informationsbeschaffung, Zielerfassung und für Luftangriffe. Die Größe der Geräte reicht von kleinen, von Hand gestarteten Modellen bis hin zu Luftfahrzeugen mit 22 Meter Flügelspannweite und einer Länge von zehn Metern.
Ihr Einsatz-Vorteil ist das massiv geringere Risiko für menschliches Personal. Daher finden sie vor allem bei der Lageerkennung und bei der strategischen Entscheidungsfindung in komplexer Militäroperationen Verwendung. Dort sammeln die ferngesteuerten Flugobjekte in Echtzeit Informationen und betreiben Aufklärung. So können Streitkräfte in Konfliktgebieten feindliche Aktivitäten überwachen, ohne das Leben eigener Bodentruppen zu riskieren.
Starker Drohnen-Verschleiß im Kampfeinsatz
Wie sich die mit KI geführte Kriegsführung in der Realität auswirkt, zeigt der Einsatz in der Ukraine. Nach Angaben von Brigadegeneral Yuriy Shchyhol, Leiter der strategischen Kommunikation der Ukraine, verliert das Land täglich 40 bis 45 Aufklärungsdrohnen – mehr als 16.000 im Jahr, berichtet „Loyal“, das Magazin des Reservistenverbands der Bundeswehr. Das würde theoretisch für die Bundeswehr bei einem Jahr Kriegsführung gegen einen Gegner wie Russland einen Bedarf von 18.000 Aufklärungsdrohnen bedeuten, berechnet das deutsche Drohnenunternehmen Quantum Systems am Beispiel seiner Systeme im Fronteinsatz im Ukraine-Krieg.
Bei der Ausstattung mit Drohnen muss die deutsche Verteidigungspolitik noch erheblich aufholen. Denn derzeit verfügt die Bundeswehr bei ihren Teilstreitkräften Heer, Marine und Luftwaffe gerade mal über 618 Drohnen, wie „Loyal“ nachgerechnet hat.
Tatsächlich besteht für die deutsche Politik ein hoher Bedarf an moderner KI und Drohnentechnologie. Hier bringen sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft bereits in Stellung. Im „Beitrag zu Grundlagen und Grenzen Künstlicher Intelligenz (KI) beim Einsatz in Verteidigungstechnologien“ von BDI, Bitkom sowie BDLI und BDSV betonen die Autoren: „Industrie und Forschung spielen eine entscheidende Rolle dabei, den aktuellen Stand der Technik in der KI (hinsichtlich Modellen und Architekturen) voranzutreiben, die richtigen Designentscheidungen in Abhängigkeit von Anforderungen und neuesten Fähigkeiten zu treffen und in definierter Qualität vortrainierte Systeme zur weiteren Verbesserung an das Militär zu übergeben.“
Diese Erwartung bringt auch eine auf den ersten Blick unscheinbare Technologie voran. Denn sämtliche Einsätze der KI-gesteuerten UAVs sind auf die Leistungsfähigkeit ihrer Sensoren angewiesen. Das haben die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft erkannt. So definierte die Bundesregierung Ende 2024 als nationale sicherheits- und verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien vor allem militärische und sicherheitsrelevante IT- und Kommunikationstechnologien, die Sensorik und Künstliche Intelligenz sowie den Elektromagnetischen Kampf.
Deutschland auf Platz vier
Deutschland lag 2024 bei den Verteidigungsausgaben vor allen anderen europäischen Nato-Staaten, wie das International Institute for Strategic Studies (IISS) in der Studie „Military Balance“ angibt. Die deutschen Militärausgaben betrugen 86 Milliarden Dollar. Das bedeutet Platz vier in der Weltrangliste der Verteidigungsausgaben, die sich 2024 um 7,4 Prozent auf insgesamt 2,46 Billionen Dollar erhöht haben. Platz eins belegen die USA mit 968 Milliarden Dollar, gefolgt von China mit 235 Milliarden und Russland mit 146 Milliarden Dollar.
HighTech gegen Gefahren
Von den steigenden Ausgaben profitiert die Entwicklung KI-gestützer Militärtechnologien. Für einen Technologiesprung in der Verteidigung soll beispielsweise ein neues europäisches Konzept für moderne Konfliktgebiete sorgen. Das Projekt „Genius“, finanziert vom Europäischen Verteidigungsfonds, soll in einem anspruchsvollen Hightech-Ansatz modernste Sensoren, unbemannte Plattformen wie Drohnen und künstliche Intelligenz zusammenführen. Die Entwickler aus Industrie und Wissenschaft versprechen sich eine hohe Genauigkeit und Zuverlässigkeit in Sachen Bedrohungsmanagement. Zugleich sollen sich die Risiken für das Personal verringern und die Wirksamkeit der Missionen erhöhen.
Ziel des europäischen Projekts ist das systematische Erkennen von Sprengsätzen, Blindgängern und Landminen. Denn herkömmliche Methoden haben sich oft als unzureichend erwiesen und stellen zudem ein erhebliches Risiko für die Sicherheit der Menschen und den operativen Erfolg dar. Hier soll Genius Abhilfe schaffen etwa durch eine höhere Erkennungsrate bei Bedrohungen in komplexen und risikoreichen Umgebungen wie Kampf- oder Konfliktgebieten. Außerdem sollen sich mit diesem Konzept Fehlalarme verringern lassen.
Prof. Peter Stütz von der Universität der Bundeswehr München weist hin auf den „umfassenden Systemansatz, der verschiedene Sensorfähigkeiten und Plattformen integriert. Unsere Expertise in den Bereichen Hyperspektralsensorik, luftgestützter Bedrohungserkennung und Sensormissionsmanagement verstärkt diese Fähigkeit noch.“
Militär-Projekte kosten viel Geld, aber sie bringen auch Einnahmen für die Unternehmen, ist Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel, überzeugt. „Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von knapp 2 Prozent des BIP auf 3,5 Prozent würde derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten.“ Aber diese Summe könnte zusätzlich eine private Wirtschaftstätigkeit in einer vergleichbaren Milliardenhöhe erzeugen – „wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde.“
Wo sich KI in der Verteidigung bewährt
Angriffe lassen sich durch KI abwehren. Sobald eine gegnerische Rakete startet und entdeckt wird, lässt sich die Flugbahn bestimmen und das Objekt abwehren, bevor die Rakete ihr Ziel erreicht. Vorausschauende KI kann die elektromagnetische Signatur der Rakete erkennen. Es ist dann möglich, das Signal zu stören, die Rakete vom Ziel abzulenken oder Abfangraketen einzusetzen, um die Rakete zu zerstören.
Ein KI-basiertes System ist in der Lage, verschlüsselte Kommunikation zu enttarnen und Informationen über die Absichten des Gegners zu erhalten.
Unbemannte Fahrzeuge wie Drohnen oder Minensuchroboter spielen eine wichtige Rolle in der modernen Verteidigungsführung, aber die meisten erfordern ein gewisses Maß an menschlicher Kontrolle. Fahrzeuge ohne menschliche Besatzung oder Führung verfügen jedoch über eine KI-Fähigkeit, um Irrtümer zu vermeiden, falls die Kommunikation mit dem unbemannten Fahrzeug kurzzeitig ausfällt.
Zukünftige Kampfflugzeuge, U-Boote und andere militärische Fahrzeuge, die derzeit geplant werden, werden wahrscheinlich gemeinsam mit einem Schwarm unbemannter Fahrzeuge im Team operieren.
Schwarmtechnologie könnte in die nächsten Generation von Kampfflugzeugen eingebaut werden. Dann ließen sich autonome UAVs mit bemannten Flugzeugen koordinieren.