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Homeoffice ist noch lange kein New Work

Holger von Daniels

18. Juni 2020

Bild eines Mannes, der in die Webcam seines Laptops winkt, darunter ist ein Bildschirm mit verschiedenen Teilnehmern eines Videocalls zu sehen, im Hintergrund Kabel sowie hohe Gebäude

Ein Großteil der Unternehmen musste sich in der Corona-Krise neu organisieren und die Mitarbeiter*innen ins Homeoffice schicken. Entgegen der Meinung vieler Geschäftsführer*innen kann aktuell von „New Work“ allerdings noch keine Rede sein. Denn New Work ist viel mehr als nur Homeoffice.

Viele deutsche Firmenlenker*innen haben sich lange Zeit schwer getan mit Homeoffice und einer neuen agilen Unternehmenskultur, dem „New Work“. COVID-19 hat mit dem im März erfolgten Lockdown alles verändert. Unternehmen waren gezwungen ihre Mitarbeiter*innen im Homeoffice einzuquartieren, und plötzlich entdeckten einige Unternehmen das „New Work“.

Die meisten Unternehmen verstehen jetzt „Modern Workplace“ oder den „Workspace of the Future“ als Synonym für mobiles und flexibles Arbeiten. Im Sinne der Effizienz und des weltweiten Teamworks ist das natürlich eine wichtige und richtige Entwicklung, die wir von valantic seit Gründung leben. Dennoch ist damit eine Arbeitskultur wie „New Work“ noch lange nicht etabliert.

Der Erfinder hat New Work ganz anders gedacht

New Work ist etwas anderes und hat einen anderen Bedeutungshintergrund als heute gedacht. Die Idee geht auf Frithjof Bergmann zurück. Er entwickelte die Idee schon 1984, nachdem er selbst schon reichlich Arbeitserfahrung gesammelt hatte.

Der in Sachsen geborene österreichisch-amerikanische Philosoph Bergmann schlug sich vor seinem Studium in den USA unter anderem als Tellerwäscher, Preisboxer und Hafenarbeiter durch. Nach seinen Reisen durch die damaligen Ostblockländer Ende der 1970er Jahre kam er zu der Erkenntnis, dass der Sozialismus keine Zukunft hat und entwickelte New Work als Gegenmodell zum Kapitalismus. Es sollte die Chance sein, die Menschheit von der Knechtschaft der Lohnarbeit zu befreien.

Drei zentrale Werte und Dreiteilung des Arbeitsalltags

Arbeit sollte mehr sein als Geld verdienen, sie sollte von den zentralen Werten Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft getragen sein.

Dieses Ideal des „Neuen Arbeitens“ versteht den Menschen als Ganzes:

Einträgliche Erwerbsarbeit sollte ein Drittel seiner Lebenszeit einnehmen, ein Drittel Smart Consumption und High-Tech-Self-Providing (kluges Konsumieren und Selbstversorgung auf höchstem technischen Niveau), ein Drittel „Arbeit, die man wirklich, wirklich will.“

Auch wenn sich der Arbeitsalltag nur selten so dritteln lässt, wie Bergmann es erdachte, haben sich seine zentralen Werte von Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft erhalten und finden sich in dem modernen Verständnis von New Work wieder. Es geht nicht etwa (nur) um die Freiheit, jederzeit und überall auf der Welt – wie etwa im Homeoffice – seinen Dienst zu verrichten, sondern um eine neue Unternehmenskultur, in der sich die Führung weitgehend zurücknimmt und den Arbeitnehmer*innen Verantwortung übergibt. Als Teil eines großen Ganzen können sie so ihre Kreativität und Ideen zum Nutzen des Ganzen verwirklichen.

Die neue Unternehmenskultur

Das fördert nicht nur die Zufriedenheit und den Teamgeist der Mitarbeiter*innen, sondern auch die Agilität, die heute erforderlich ist, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen – und sogar ein Stück weit besser als andere zu sein. Durch agile Methoden wie zum Beispiel Scrums oder den Daily Standup Meetings können Rollen getauscht werden, sodass einzelne Mitarbeiter*innen die Führung übernehmen und die Geschäftsführer*innen oder Vorgesetzten nur bei- statt vorsitzen.

Agile Methoden lassen starres Cliquen- oder Abteilungsdenken verschwinden. Im Idealfall bilden sich über alle Disziplinen und Landesgrenzen hinweg Teams, die gemeinsam neue Entwicklungen oder Prozesse anstoßen.

Mehr Agilität durch holokratisches Führen

Viele kleine und große IT-Unternehmen haben New Work im Sinne einer neuen Unternehmens- und Führungskultur verinnerlicht. Auch bei valantic haben wir New Work Konzepte zu einem sehr frühen Zeitpunkt mitgedacht und umgesetzt und trotz unseres starken Wachstums mit heute mehr als 1.100 Mitarbeiter*innen in Europa unsere Agilität mit kurzen Entscheidungswegen aufrechterhalten. Voraussetzung dafür war ein von allen Führungskräften nicht nur mitgetragener, sondern auch forcierter Führungsstil in holokratischen, dezentralen und „flachen“ Strukturen. New Work nach dem heutigen Verständnis fängt bei der Führung an und muss seinen Platz in den Herzen und Köpfen aller Mitarbeiter*innen finden. Dafür treten wir ein. Neben dem Führungsstil gehören dazu natürlich auch Aspekte wie die Gestaltung des Modern Workplace, intelligente Homeoffice- und moderne Collaboration-Möglichkeiten. Die Erfolge lassen sich sehen und vor allem messen:

  • eine hohe Kundenzufriedenheit und eine daraus resultierende Kundenbindungsrate von 99%
  • ein rasantes organisches wie anorganisches Umsatzwachstum von knapp 40 % im Geschäftsjahr 2019
  • eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, die sich in einer niedrigen Fluktuation von unter 5 % niederschlägt
  • sowie seit Jahren steigende Bewerberzahlen

belegen die Attraktivität unseres New Work Ansatzes.

In den Zeiten der Corona Pandemie können Homeoffice oder Telearbeit allerdings zum inneren oder äußeren Zwang werden. Vereinsamung und der Verlust von Zusammenhalt oder das Fehlen von Strukturen haben mit New Work nicht mehr viel gemein. Vielmehr werden die zentralen Werte von New Work, die Selbständigkeit, die Freiheit und die Teilhabe an der Gemeinschaft, durch die plötzliche und ungeplante Arbeitsumstellung zu Abhängigkeit, Unfreiheit und Vereinsamung.

Was im Lockdown der Pandemie erprobt wurde, kann aber auch neue Wege einleiten. Die Chance ist jetzt da.

Je dezentraler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto innovativer ist es. New Work steht für Innovation. Homeoffice kann Teil eines flexiblen Arbeitens sein. Aber egal wo, wann und womit man arbeitet, die gesunde Mischung besteht aus Vertrauen, Kommunikation und einer Zielvereinbarung, die Unternehmens- und Arbeitnehmerinteressen angleicht. Unternehmen wie Microsoft haben es vorgemacht, Yahoo hingegen ist bereits vor Jahren daran gescheitert: Homeoffice muss integriert sein in ein durchdachtes Konzept.

Welche Gedanken macht Ihr Euch zu New Work? Schreibt mir gerne Eure Überlegungen, Ideen und Erfahrungen zum Thema.

Euer Holger von Daniels

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